Veedelshelden Müllem! – Titel Orgelbau Willi Peter

Orgelbau Willi Peter – „Ich höre alles gerne, nur nicht Orgel!“

Wenn man auf der Mülheimer Freiheit entlang schlendert und den alten Schriftzug Orgelbau Willi Peter entdeckt, verbirgt die Fassade einen tüchtigen Handwerksbetrieb mit 69 Jahren Geschichte auf über 4000 qm. Ganz im Geiste des alten „Orjelspitters“ – Firmengründer Willi Peter – werden in der ehemaligen Tabakwarenfabrik Orgelträume verwirklicht und Innovationen geschaffen. Dass dies ein knallhartes Geschäft ist, erklären uns die Firmennachfolger in 3. Generation: Thomas Kötschau und Christoph Böttcher.

Text: Nina Reisdorf     Fotos: Sonja Niemeier

„Wir verkaufen nicht nur ein Instrument, wir verkaufen auch ein Gefühl!“

Ein fester Händedruck. Kein Zweifel daran, dass Thomas Kötschau anpacken kann. Veedelshelden Müllem! folgen dem Orgelbaumeister durch sieben große Werkstätten, vom Montageraum zur Schreinerei über die Intonation. Wir knarzen über den original erhaltenen Dielenboden und schnuppern Geschichte. „Ich hab’s noch nicht erlebt, dass die Leute hier nicht erschlagen rausgegangen sind!“ Kötschau erklärt und lacht mit Leidenschaft. Ein historisches Instrument braucht eine historische Herkunft. 1952 kauft der Firmengründer Willi Peter die leer stehende Tabakwarenfabrik und baut sie zur Orgelbauwerkstatt um. 2004 übernehmen Kötschau und sein Kollege Christoph Böttcher den Betrieb. Unsere Führung hat es in sich, informationsgefüttert sinken wir in die alten Ledersessel des Büros und blicken auf eine Orgelpfeife, umgebaut zur Lampe. Sie erhellt den Arbeitsbereich der beiden Firmeninhaber. Wie viele Pfeifen so eine durchschnittliche Orgel wohl habe? „Gibt es ein durchschnittliches Auto?“ antwortet Thomas Kötschau keck.

„Sagen sie mir ’ne Orgel und dann sage ich Ihnen wie viele Pfeifen drin sind!“

Alleine die Orgel in der Kölner Kirche Sankt Peter habe über 6000 Pfeifen. Ein ganz spezielles Instrument für zeitgenössische Orgelmusik, entstanden bei Willi Peter. Sie ist die die zweitgrößte Orgel in Köln – mit neuen Entwicklungen, die es sonst nirgendwo auf der Welt gebe. Na ja, der Orgelbauer an sich habe allerdings auch ein Faible für alte Sachen …

„Wir könnten ja auch ’ne Heizung haben, aber nein, was haben wir? Einen alten Holzofen!“

Morgens um sieben ist es da schon mal kalt in der Werkstatt. Eine zu bewältigende Hürde für den 10-Mann-Betrieb und seine fünf Azubis. Glänzen kann der Betrieb nicht nur mit Atmosphäre, sondern auch mit Fakten: Immerhin sind es fünf von insgesamt sieben Azubis der gesamten Musikinstrumentenmacher-Innung in komplett NRW. Guter Nachwuchs lässt sich nur selbst heranzüchten. Orgelbau ist Teamwork von der Planung zur Komplettierung in der Kirche. „Das ist wie ‘ne Mannschaft, die zusammen arbeitet und den Sieg errungen hat.“ Hürden sind da eher die Orgelsachverständigen, die eine bestimmte Orgellandschaft in der Gemeinde möchten und die Kirchen, die einen fixen Termin für die Lieferung der Orgel wollen. Aber sich dafür die Nächte um die Ohren schlagen? „Heute nicht mehr!”

Gut Ding will eben Weile haben und bis die Orgel fertig ist, dauert es gut fünf bis zehn Jahre. Kundenbetreuung gleiche einem Psychologiestudium, da müsse man sich aufgrund der langjährigen Beziehungen auch schon mal das ein oder andere persönliche Leid anhören. Oder das ein oder andere persönliche Bierchen trinken.

„Die Orgel muss optisch gut aussehen, aber ganz zum Schluss wird sie immer nach dem Klang beurteilt!“

Kundenbeziehungen gehen für die beiden Orgelbauer sogar über Landesgrenzen hinaus. Orgeln werden technisch überholt, gewartet oder umgebaut. Und das bis Lissabon und Korea. Man ist etabliert, hat viel zu tun. Deutsche Wertarbeit eben. Ist man denn wirklich der einzige Orgelbaubetrieb in ganz Köln? „Das will ich aber auch schwer hoffen! Gute Orgelbauer gibt’s eigentlich nur in Europa“, schmunzelt Kötschau, der selbst 1975 seine Lehre im Betrieb begann. Er kenne sogar noch den alten Willi Peter. Traditionsdruck keineswegs, denn auch Peter war immer ein Vordenker. In dessen Geiste wird weiter herumexperimentiert, damit für den Orgelmusiker, den Organisten, alles stimmt. Immer ein bisschen den Zeitgeist fühlen, man muss wissen, was wollen die Organisten und die Kirchenmusiker heute?! Böttcher gelangt auf Umwegen zur Firmenleitung. Im Bergischen gelernt, kehrt er über Bayern schließlich zurück nach Köln. Er selbst spielt Orgel und kümmert sich um die klanglichen Geschichten. Kötschau sei da eher der Techniker. Orgelmusik wäre auch nicht so sein Ding, wenn da ein Register nicht gestimmt sei, erlebe er Qualen.

„Ich höre alles gerne, nur nicht Orgel!“

Berufskrankheiten inklusive, aber von Betriebsblindheit keine Spur. Humor und Geist erhellen den Raum, zeugen von feinstem Geschäftssinn und der Erhebung vom Handwerk zur Kunst. Das hat ja auch schon Goethe gesagt. Da mag der breit aufgestellte Beruf des Orgelbauers noch so mysteriös klingen, Basis ist und bleibt das traditionelle Handwerk.

„Die Konkurrenz ist groß und schläft nicht, da sind auch ein paar ganz knallharte Brüder dabei und gegen die müssen wir uns behaupten!“

Verständlicherweise ein Grund, im Feierabend auch ein bisschen Abstand von der Arbeit zu haben. Einfach mal „nach Hause fahren“, die große Aufgabe Firma hinter sich lassen. Das firmenzugehörige Haus nebenan sei also untervermietet – an einen Gitarristen. Nachbarschaftlich gesehen verträgt sich der Betrieb aber sehr gut. Es gehöre ja auch dazu, ein bisschen Rücksicht zu nehmen und nicht gleich morgens um sieben mit dem Eisenhammer um sich zu schlagen. Gleichermaßen darf da auch schon mal ein Container für zu verschickende Orgeln im absoluten Halteverbot stehen. Mülheim eben. Man kennt sich, man hilft sich.

Thomas Kötschau kennt sein Mülheim seit vierzig Jahren, habe sogar seine Frau hier kennengelernt. Vor dem Krieg, das wissen beide Firmenchefs, war die Firmengegend eine gute Gegend. Die Straßenbahn fuhr direkt über die Mülheimer Freiheit. Zum Einkaufen ging man auf die Keupstraße, weil es auf der Frankfurter zu teuer war! Heute sind die Gleise überteert und die kleinen Knubbel am Haus übrig, wo man damals die Oberleitungen einhängte. Abgesehen davon sind Thomas Kötschau und Christoph Böttcher mitten im Geschehen und total interessiert an den Entwicklungen des Veedels. Die Investitionstätigkeit habe zugelegt, Ansiedlungen von neuen Geschäftsideen und Kultur, die versuche wieder ein gewisses Niveau zu erreichen. Als Geschäftsmann das Interesse am Grundstückspreis, als Freund und Nachbar die Geschichten vom Kiosk gegenüber hören. Die gesunde Mischung mache es hier einfach aus. Und was ist hier sonst noch so los in Mülheim?

„Freitag Abends? Ja Keupstraße! Da hängen die ganzen Typen von RTL. Da ist ein Treiben! Man merkt, dass die Leute hier nicht nur zum Wohnen hinkommen, sondern auch wieder zum Leben!“

Den Firmensitz wechseln mache da überhaupt keinen Sinn. Warum auch? Geblieben wird bis sie einer heraustrage. Außerdem sind die Räumlichkeiten ja schon ziemlich passend. Das Alte und das Neue nah beieinander. „Ach, so eine fertig gestellte Orgel muss einen schon stolz machen… Und wenn Sie Glück haben, kriegen Sie ganz viel Wein geschenkt“, feixt Thomas Kötschau nach einer langen Reise durch die Orgeln dieser Welt. Ein Vertragsbestandteil besagte früher, dass der Volumeninhalt der größten Pfeife der Orgel in Wein ausbezahlt wurde. In der Tat habe man einmal über 200 Liter Wein geschenkt bekommen. „Das war eine sehr große Pfeife!“

Stattet den Orgelbauwerkstätten Willi Peter einen Besuch ab:

Orgelbau Willi Peter GmbH & Co.KG
Mülheimer Freiheit 113-115
51063 Köln
Tel.: 0221-6402203
Fax.: 0221-6401771

www.willipeter.de

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