Veedelshelden Müllem! zu Besuch bei Zombiemaus e.V.

Sophia vom Projekt Zombiemaus – “Kinder sollen ihre Zukunft selbst gestalten.”

Mehr als ein halbes Jahr arbeitete die 26-Jährige Designerin Sophia Stephani mit Flüchtlingskindern aus dem Balkan und Irak und ermöglichte ihnen in ihrem Atelier in Köln-Mülheim eigene Wünsche und Träume kreativ umzusetzen. Wie sie mit dem Thema umgegangen ist, was ihre gestalterischen Wünsche dabei waren und wie man eine Gruppe 4-14-jähriger zusammenhält, erzählt sie uns im Veedelsheldeninterview.

 

 Demjan (7): „Ich mach ein Zombiemaus, also so Maus, das fliegt und beißt.“

 

Veedelshelden Müllem! zu Besuch bei Zombiemaus e.V.

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VM: Liebe Sophia, wieso hast Du Dir für Deine Diplomarbeit gerade das schwierige Thema Flüchtlinge ausgesucht?

Ich habe in der Schulzeit Nachhilfe für Flüchtlinge gegeben und einfach großes Interesse am Thema entwickelt. Gerade jetzt ist es wieder hochaktuell. Über den Verein für Willkommenskultur, hier die WIKU Mülheim, bin ich ab Juni 2015 einmal die Woche in ein Flüchtlingsheim, um mit den Kindern vor Ort zu spielen und zu basteln. Daraus ist die Idee für Zombiemaus entstanden. Und auch die Idee, die Kinder aus ihrem Alltagstrott in den Flüchtlingsunterkünften rauszuholen und ihnen einen Raum zu bieten. Im Vergleich zu meiner bisherigen Mitarbeit bei anderen Nichtregierungsorganisationen, ist die Arbeit mit Flüchtlingen wahnsinnig befriedigend, weil man direkte Ergebnisse sieht und helfen kann. Man ist sofort nah dran.

VM:  Deine Diplomarbeit ist an der ecosign Akademie für Gestaltung in Köln entstanden. Wie lässt sich so ein soziales Thema mit Gestaltung verbinden?

Zum einen habe ich mit den Kindern ja die ganze Zeit gestaltet und Dinge “erschaffen”. Das ist eben nicht im klassischen Sinne Grafik- oder Produktdesign, sondern es geht darum, dass man die Gesellschaft mitgestaltet. Frei nach dem Beuys’schen Gedanken einer Ermächtigung durch Kunst oder der Förderung kreativer Denkprozesse. Die Idee für die Diplomarbeit ist somit auch erst während der eigentlichen Arbeit entstanden. Heißt, ich habe das Projekt mit den Kindern zusammen entwickelt, was ganz toll ist. Es ist ein bisschen Trial and Error, weil man ständig innehält und sich die Bedürfnisse der Kinder anschaut ohne ihnen etwas überstülpen zu müssen. Gestaltung ist für mich Kommunikation und die kann für so ein sensibles Thema viel bewirken. Damit keine Parallellgesellschaften entstehen, werden hier neue Verknüpfungen oder Verbindungen geschaffen, die Solidarität unglaublich fördern. Viele möchten heutzutage ÜBER Flüchtlinge reden, mir war es ganz wichtig etwas MIT Flüchtlingen  zu machen.

 

“(…) es geht darum, dass man die Gesellschaft mitgestaltet.”

 

veedelshelden_zombiemaus_001 veedelshelden_zombiemaus_006 Veedelshelden Müllem! zu Besuch bei Zombiemaus e.V.

VM: Welchen besondern Herausforderungen hast Du Dich gestellt? Allein eine Gruppe Kinder und Jugendlicher zusammenzuhalten, ist an sich ja schon eine Aufgabe…

Ich bin immer alle Zimmer im Heim abgegangen, habe an den Türen geklopft und die Kinder sozusagen “eingesammelt”. Dadurch entstand jede Woche eine neue Dynamik. Manchmal war eben nur ein Kind dabei und in der nächsten Woche 15. Ich habe das aber nie alleine bewerkstelligt und hatte selber viel Hilfe von Betreuern, Ehrenamtlern und Freunden, die das Projekt begleitet haben. Man muss sich darauf einlassen, dass alles passieren kann, wenn man mit Menschen und besonders Kindern zusammenarbeitet. Konflikte gehören ganz normal dazu.

VM:  Und dann noch die Sprache, wie habt ihr kommuniziert ?

Die Bandbreite ist im Flüchtlingsheim sehr hoch. Von Familien, die schon 2 Jahre in der Unterkunft wohnen, deren Kinder lokale Schulen besuchen und gut Deutsch sprechen, bis zu Kindern, die gerade erst ankommen. Die Älteren haben oft für die jüngeren Kinder übersetzt. Manchmal haben wir uns einfach mit  “Händen und Füßen” verständigt. Viel wichtiger ist aber, dass ich bei meiner Arbeit über Bilder und Gestaltung kommuniziert habe. Ich wollte den Kindern aufgrund ihres sprachlichen Defizites eine neue Ausdrucksmöglichkeit geben. Selbstverständlich musst Du den Kindern irgendwie beibringen “Was machen wir hier überhaupt?”, aber das ist erstaunlich schnell übermittelt. Die sprachliche Situation hat sich dann irgendwann gebessert. Ich hatte zum Beispiel einen kleinen Jungen in der Gruppe, der anfangs kein Wort sagte und auf einmal kamen kleine Halbsätze aus ihm heraus, das hat mich wirklich begeistert.

 

“Ich wollte den Kindern (…) eine neue Ausdrucksmöglichkeit geben.”

 

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VM: Was habt ihr denn gemacht? Was war das Thema ?

Wir haben Pappfiguren zu den Wünschen und Träumen der Kinder gebaut um eine eigene, freie Welt zu gestalten. Der eigentliche Einstieg fiel den meisten nicht ganz leicht, also habe ich mir zunächst selbst eine Figur “Nala” mit einer Geschichte dazu ausgedacht. Über den Umweg, was sich die Figur wünscht , sind wir auf die Wünsche der Kinder gekommen. Nala wurde sehr bald irrelevant. Nala brauchten wir aber bald gar nicht mehr.

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Du musst bei der eh schon großen Überforderung (der Kinder) eine Einleitung und Begrenzung liefern. Nicht nur inhaltlich, auch gestalterisch. Ich habe es zum Beispiel anfangs mit verschiedenen Materialen und Farben versucht, was schnell zu Chaos und Frustration geführt hat. Über die Reduzierung der Arbeitsmaterialien, schwarze Farbe und Pappe entstanden viel spannendere Ergebnisse auf inhaltlicher und grafischer Ebene. Das ist ja ein übertragbares Phänomen beim Gestalten.

VM:  Gab es auch Dinge, mit denen Du gescheitert bist, die nicht funktioniert haben?

Klar, ich war auch immer mal wieder frustriert, aber so eine menschennahe Arbeit gibt Dir ganz viel zurück. Eigentlich wollte ich mit den Kindern einen Film für meine Endarbeit drehen, aber genau am Drehtag gab es eine PEGIDA DEMO. Die Flüchtlingsfamilien hatten so Angst, das keiner sein Zimmer verlassen wollte. Also haben wir den Film nur mit mir und den Pappfiguren im Atelier gedreht. Das war natürlich nicht der Plan, weil das die Bühne für die Kinder werden sollte. Bei einigen Kindern, die mir ans Herz gewachsen sind, stand es zwischendrin auf der Kippe, ob sie in Deutschland bleiben dürfen oder nicht. Wenn ein Kind nicht kommt oder plötzlich in eine andere Stadt versetzt wird, macht man sich schon seine Gedanken… Bis jetzt konnten zum Glück alle in Deutschland bleiben.

 

“Klar, ich war auch immer mal wieder frustriert, aber so eine menschennahe Arbeit gibt Dir ganz viel zurück.” 

 

VM: Aus den entstandenen Arbeiten ist eine ganze Ausstellung mit einem Buch entstanden, das Du im März 2016 als Diplom in der AUGUST Produzentengalerie Köln-Mülheim präsentiert hast. Wie war es für die Kinder, die Ausstellung miterleben zu können?

In der Ausstellung wollte ich die Gesamtheit der Arbeit und eine absolute Wertschätzung der entstandenen Figuren präsentieren. Die Galerie war gleichermaßen das vorherige Atelier, indem die Kinder gemalt und gebastelt hatten. Die neue Inszenierung hat die Arbeiten nochmal richtig aufgewertet und in ein anderes Licht gerückt.  Aufgrund der Distanz und dem Blick von außen auf die Arbeiten, waren die Kinder und Familien total überrascht und stolz. Zu den Arbeiten habe ich dokumentarische Fotos und Portraits ausgestellt und das war etwas, das sie so noch nie gesehen hatten. Es hat mich sehr berührt, es bewegt die Menschen und am Ende auch mich.

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VM:  Schön, dass das Projekt in Köln-Mülheim stattfand. Was hat Dich besonders am Standort interessiert?

Meine Nachbarschaft mitzugestalten. Ich wohne seit 4 Jahren hier in Mülheim. Das Projekt bringt einen auf völlig neue Art und Weise mit der Nachbarschaft zusammen, weil ich jetzt oft den Kindern und anderen Ehrenamtlern über den Weg laufe. Man wird auf offener Strasse umarmt oder von den Kids richtig durchgeknuddelt. Dadurch fühlt man sich hier ganz anders verankert. Das ist genau diese Solidarität, die ich eben angesprochen habe.

Lokal etwas zu bewirken, im kleinen Rahmen, ist der wichtigste Anfang für dieses Thema. Das Buch wird jetzt durch die Internetpräsenz auch für andere zugänglich gemacht und so ein Projekt lässt sich, hoffentlich, auf andere Stadtkontexte übertragen. Aber erstmal ist es ein Projekt für den Mikrokosmos.

 

“Ich wohne seit 4 Jahren hier in Mülheim. Das Projekt bringt einen auf völlig neue Art und Weise mit der Nachbarschaft zusammen.”

 

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VM:  Du bist im Oktober nicht nur für den Designpreis im MAKK-Museum für Angewandte Kunst Köln nominiert, sondern wirst Ende des Jahres auch zurück in Deine Heimat Berlin gehen. Wie geht es jetzt mit dem Projekt weiter? Was wünschst Du Dir dafür?

Ich wünsche mir, dass das Projekt fortgeführt wird, es gibt ein paar Optionen und Interessenten, aber noch nichts Konkretes. Die Arbeit lässt sich wunderbar weiterentwickeln, vielleicht über Tanz und oder Theater mit den Kindern und den Figuren als Kulisse. Jetzt freue ich mich sehr auf die Ausstellung im MAKK, weil auch die Kinder ihre Arbeiten im Museum erleben werden, eine ganz neue Umgebung und Ebene.

Die Flüchtlingskinder sind ja oft ein bisschen “eingesperrt” in ihrem Lebenskontext, bedeutet, dass ein Museum oder eine andere Kulturinstitution zunächst ein wenig fremd auf sie wirkt. Sobald dieser Raum aber die eigenen, entstandenen Arbeiten repräsentiert, wird der Besuch zu einem positiven Erlebnis und einer positiven Verbindung. Das ist ganz wichtig. Sie sollen sehen, dass sie auch in einem anderen Rahmen bestehen und neue Lebensbereiche für sich erobern können.

Ich hoffe, dass es den Kindern gut geht und sie lernen, ihre eigene Zukunft selbst zu gestalten.

 

Stattet dem Projekt Zombiemaus einen Besuch ab:

Ab dem 03. November wird das Projekt im Museum für angwandte Kunst Köln (MAKK) ausgestellt.
Ansonsten findet ihr das Projekt im Netz unter:

www.zombiemaus.de
www.facebook.com/zombiemauskinder

 

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